von Jan-Sebastian Möller
von Jan-Sebastian Möller

Zusammen mit FINTROPOLIS, dem Zukunftsportal des IT-Dienstleisters für Volksbanken und Raiffeisenbanken Atruvia, konzeptionierten und clusterten wir Trends zur Transformation der Bankfiliale. In zwei digitalen Workshops führten wir die 30 Teilnehmenden somit direkt zur Bankfiliale der Zukunft. Denn die Zeiten vergitterter Tresen in Schalterhallen sind schon lange vorbei. Doch wie werden und müssen sich Bankfilialen in Zukunft verändern? Die Zusammenfassung der Ergebnisse wurde uns von FINTROPOLIS für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Zum Original-Artikel.

Wie beeinflusst die Digitalisierung unsere Erfahrung mit Bankfilialen?

Corona hat vieles in unserem Leben verändert: Wir meiden soziale Kontakte und erledigen so viel wie möglich online. Kundinnen und Kunden von Banken sind davon nicht ausgenommen. Laut einer Studie des Finanzportals Verivox ging mit der Pandemie die Zahl ihrer Besuche in Deutschlands Bankfilialen noch stärker zurück als ohnehin schon. So gab jeder Dritte der Befragten in der Studie an, vor mehr als einem Jahr zuletzt in einer Bank gewesen zu sein. Den Geschäften der Finanzinstitute tut das keinen Abbruch – sie laufen nun eben digital. Was fehlt, ist jedoch der persönliche Kontakt vor Ort. Immer mehr Institute ziehen daraus Konsequenzen und schließen reihenweise Filialen.

Bis 2030 werde jede zweite verschwunden sein, prognostiziert die Strategieberatung Oliver Wyman in einer Studie. Allerdings legen Kundinnen und Kunden nach wie vor großen Wert auf persönliche Beratung – gerade bei Wertpapieren, Baufinanzierung oder anderen Krediten, meint beispielsweise Commerzbank-Chef Martin Zielke in seiner Funktion als Verbandschef der deutschen Privatbanken. Grund genug also, sich zu überlegen, wie die Bank der Zukunft ihre Filialen gestalten muss, damit diese als Orte der Begegnung attraktiv bleiben.

Gemeinsam mit FINTROPOLIS haben wir uns in einem Workshop deshalb der Frage gewidmet: Wie beeinflusst die Digitalisierung unsere Banking Experience? Herausgekommen sind folgende fünf Trends:

1. Mehrwert durch Service

Banken sind in den kommenden Jahren darauf angewiesen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dabei werden sie ihre Beratungsleistung auf andere Märkte ausweiten – das macht Bankerinnen und Banker zur Schnittstelle für unterschiedliche Angebote und Nachfragen. Dieser Entwicklung müssen die Filialkonzepte der Zukunft Rechnung tragen. Die Chancen sind dabei unbegrenzt: Open-Banking-APIs bieten heute schon die Möglichkeit, Services bei Reisen, Mobilität und Gesundheit zu integrieren. Auch lokale Services spielen für Filialkonzepte zukünftig eine wichtige Rolle, da sie die lokale Infrastruktur stärken und verbinden. Dabei ist entscheidend, Raumverständnis neu zu denken und neue Kooperationen sowie Partnerschaften einzugehen. So kann es gelingen, Kundinnen und Kunden echten Mehrwert zu bieten. Dann werde auch der Wohlfühlfaktor steigen, und Menschen suchen eine Bankfiliale wieder gern auf. Diese könne dann auch mal in einem Coworking Space beheimatet sein oder in einem Restaurant oder Café. Entscheidend ist dabei immer der Gedanke, dass aus der Filiale eine Community wird, die eine Heimat für Alt und Jung bietet.

Bankfiliale der Zukunft


2. Nahtlose Erlebnisse

Die Bankfiliale der Zukunft wird über unkonventionelle und interaktive Raumkonzepte verfügen – und Erlebnisse für Kundinnen und Kunden schaffen, die nahtlos ineinander übergehen. Wo tagsüber noch die Anlageberaterin einen Vorsorgeplan entwirft, findet abends eine Ausstellung statt. Auch die Bank als Coworking Space oder Café ist möglich – und derartige Konzepte werden heute bereits erfolgreich umgesetzt. Für die Teilnehmenden des FINTROPOLIS-Workshops steht fest: Die klassische Filiale, wie wir sie heute kennen, wird es bald nicht mehr geben. Bei Konzepten für die Bankfiliale der Zukunft, müsse man mutig sein und auch mal über den Tellerrand schauen, lautete die einhellige Meinung. Dabei stelle sich dann auch die Frage, welche Services eine Bank zusätzlich anbieten könne, und wie die Filiale in Zukunft gestaltet sein soll – hier ist Kreativität gefragt.

3. Maßgeschneiderte Touchpoints

Um mit Kundinnen und Kunden in Kontakt zu treten, kommunizieren Banken künftig über innovative, digitale Formen, die Marken mit allen Sinnen erlebbar machen. Mit so genannten Tailored Touchpoints werden Botschaften dabei genau auf die Person zugeschnitten, an die sich die Angebote richten. Dabei rücken Filialkonzepte in den Vordergrund, die digitale Elemente mit einem echten, physischen Erlebnis verbindet. So können Banken ihre Kundinnen und Kunden noch unmittelbarer erreichen und sie so auch durch die Banking Journey innerhalb und außerhalb der Filiale navigieren.

Die Filiale könnte dann als Verlängerung der App dienen – und intuitive Interaktionsmöglichkeiten vor Ort eröffnen, die passgenau auf den betreffenden Kunden oder die Kundin zugeschnitten sind. Wearables spielen dabei eine entscheidende Rolle, denn gemäß dem Megatrend ShyTech, demzufolge Technologien sich im Alltag vornehm zurückhalten und nicht zu sehen sein sollen, wandern physische Devices bei den Benutzeroberflächen in den Hintergrund. Wichtig ist vor allem, dass es gelingt, in der Filiale einen nahtlosen Übergang zwischen On- und Offline-Angeboten zu bieten.

In der Diskussion der Teilnehmenden des Workshops zeigte sich, dass alle eine spielerische Erfahrung im Vordergrund sehen: So könne man mit Hilfe Künstlicher Intelligenz herausfinden, worauf die jeweilige Kundin oder der Kunde positiv reagiert, wenn er oder sie die Bank betritt – beispielsweise indem man identifiziert, wie die Person ein bestimmtes Video wahrnimmt. Auch ein Lieblingsgetränk, dass postwendend serviert wird, kann signalisieren: Wir kennen dich und wissen, was du brauchst. Zudem könne man die Angebote noch viel weiterdenken, so das Fazit: Etwa mit einem smarten Geldautomaten, der Kundinnen und Kunden erkennt und ihnen spezielle Angebote wie Coupons für Geschäfte zur Verfügung stellt, in denen diejenigen häufig einkaufen

4. Flexibilisierung

Wir leben in einer Welt, die geprägt ist von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Um dem gerecht zu werden, müssen Banken bei Angeboten und Arbeitsweisen flexibel sein – und sich dabei die Grundideen der agilen Softwareentwicklung zu eigen machen. Finanzinstitute sind deshalb gezwungen, sich agiler aufzustellen und flexibel auf regionale Gegebenheiten und Nachfrage zu reagieren. Die Flexibilisierung fängt bei der Gestaltung der Büroräume an – und beim Mindset der Mitarbeitenden. Letzteres ist der entscheidende Punkt, da waren sich die Workshop-Teilnehmenden einig. Mitarbeitende sollten demnach offen sein für Veränderungen und sich darauf einlassen. Um in Zukunft flexibel zu sein, müssten klassische Arbeitsstrukturen zudem aufgebrochen und auch einmal ungewöhnliche Wege gegangen werden – beispielsweise mit neuen Öffnungs- und Beratungszeiten. Ein Beispiel dafür ist das Hanselab, wo Bankberater vor Ort Startups beraten – diese müssen keine Filiale mehr aufsuchen.

Eine Möglichkeit zur Flexibilisierung innerhalb von Banken ist laut Vorschlag der Teilnehmenden beispielsweise, dass Bankmitarbeitende bereichsübergreifend in Filialen arbeiten. Das öffne neue Perspektiven und schaffe in den alten Büroräumen der Zentrale Kapazitäten, die anderweitig genutzt werden können.

5. Verantwortung als Schlüssel

Das Vertrauen der Menschen in Politik und Wirtschaft bröckelt – auch die Finanzbranche ist davon massiv betroffen. Ob ein Unternehmen soziale Verantwortung übernimmt, wird deshalb in Zukunft zum entscheidenden Kaufkriterium. Deshalb wird es für Finanzinstitute künftig von zentraler Bedeutung sein, Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Dabei müssen auch Prozesse transparenter gemacht werden – und ethische Werte in den Vordergrund rücken. Dies sollte sowohl auf technischer als auch auf persönlicher Ebene stattfinden. Denn nur so können Institutionen Individuen auf Augenhöhe begegnen und Vertrauensverlusten vorbeugen.

Volksbanken und Raiffeisenbanken haben hier nach Auffassung der Workshop-Teilnehmenden immer noch einen besonderen Vorteil. Bei ihnen bestehe bereits eine enge Kundenbeziehung, die es zu pflegen gelte. Denn der klare Auftrag der Filiale in der Banking Experience lautet in Zukunft: Vertrauen schaffen. Bei der jungen Generation ist das eine besondere Herausforderung: Ihr müsse erst einmal erklärt werden, was Bankfiliale überhaupt bedeute. Eine unbedingte Voraussetzung für Vertrauen ist nach Einschätzung der Workshop-Teilnehmenden vor allem, die Kundinnen und Kunden zu kennen – und Ihnen Beratungs- und Entscheidungskompetenz auch auf den unteren Hierarchie-Ebenen zu vermitteln. Die Vertrauensbildung fange dabei jedoch im eigenen Haus an: Indem Mitarbeitende wie Führungskräfte zu agilem Arbeiten geschult werden und so deutlich werde, dass dies die Voraussetzung ist, um zukunftsfähig zu sein.

Alles in allem steht fest: Die Bankfiliale der Zukunft wird zu einem Ort der Begegnung, bei dem sich digitale und physische Erlebnisse verbinden. Was brauchen Banken, damit diese Transformation gelingt? „Wir müssen mutig sein“, fasst TRENDONE Innovation Advisor Pia Schlemmer das Fazit der Workshop-Teilnehmenden zusammen.

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Jan-Sebastian Möller

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